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Von Kontrollleuchten, Trampelpfad und Schmerzen

Wir kennen sie alle - Schmerzmittel. Ob im Human- oder Veterinärbereich wahrscheinlich eins der am häufigsten verabreichten Medikamente. Gerade im Veterinärbereich sollten aber mit der Gabe von Schmerzmitteln bei akuten Schmerzen im Bewegungsapparat weitere Maßnahmen beachtet werden. Und damit meine ich hier nicht pharmakologische Nebenwirkungen des Medikaments selber, sondern den Fakt, dass ich eben den Schmerz "ausschalte". Um zu verstehen, warum das nun wiederum schlecht sein kann, machen wir einen kurzen Ausflug in die Physiologie.

Schmerz ist für unseren Körper gleichbedeutend mit einem Warnsignal - also z.B. der Motorkontrollleuchte des Autos. Was genau passiert wissen wir zunächst nicht, aber der Schmerz warnt uns, dass etwas nicht stimmt. Er ist also ein "[...] unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebsschädigung verknüpft ist [...]" (Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.). Damit ist der Schmerz für uns und unsere Tiere überlebenswichtig, da z.B. eine gestörte Wahrnehmung zu erhöhten Risiken führt und der Schmerz verschiedene Schutzreflexe auslöst - dazu zählt auch das Thema Schonung. Ein akutes Schmerzgeschehen hat einen positiven Effekt auf die Genesung des geschädigten Gewebes. Es wird weniger belastet und bekommt so die Möglichkeit zu heilen. Um diesen Effekt noch zusätzlich zu verstärken, besitzt der Körper stumme Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren), die erst in entzündeten/geschädigten Geweben aktiv werden können. Ein Schmerzmittel ist in einer solchen Phase ohne weitere Schonung also vergleichbar mit dem Herausdrehen der Motorkontrollleuchte des Autos. Da unsere Tiere nicht wie wir reflektieren können, dass immer noch ein Problem besteht, "fahren sie mit dem Motorproblem weiter, bis zum Totalschaden". Es liegt also an uns Haltern dafür zu sorgen, dass die Schonung trotz der Schmerzausschaltung erfolgt, um dem Gewebe die entsprechende Zeit zur Heilung zukommen zu lassen.

Besteht nun der akute Schmerz jedoch über einen (zu) langen Zeitraum wie es bei chronisch degenerativen Geschehen der Fall ist, wird u.a. die neuronale Plastizität zum Problem. Diese Fähigkeit ermöglicht uns das Lernen im Alltag durch ständige Wiederholung. Häufig benutzte neuronale Leitbahnen reagieren sensibler auf Reize - ähnlich einem Trampelpfad in einer hohen Wiese, auf dem es mit zunehmender Benutzung leichter wird zu laufen. Es kommt zur zentralen Sensibilisierung, schmerzhemmende Bahnen verlieren ihre Wirkung und die Lokalisation des Schmerzes kann verwischen. Dieser Prozess kann so weit fortschreiten, dass der Körper ein sogenanntes Schmerzgedächtnis entwickelt: es tut also weh, obwohl es dafür keine Ursache mehr gibt. Diese Abwärtsspirale kann sich auf Dauer nicht nur als Bewegungslust auswirken, sondern auch auf Psyche und Gewicht (Schmerzen verbrauchen z.B. Energie, weniger Bewegung etc.). Sekundär können durch den andauernden Schmerzstress Magen-Darmprobleme entstehen.

Hier ist also eine angemessene Schmerzmedikation in entsprechender Dosierung absolut anzuraten. Diese kann neben der Physiotherapie im Bereich des Bewegungsapparates durch schulmedizinische Präparate oder durch komplementärmedizinische Produkte erfolgen. Es ist allerdings zu beachten, dass Letztere oft eine gewisse Zeit benötigen, um entsprechend ihre Wirkung im Körper zu entfalten bzw. die pharmakologisch wirksamen Stoffe nicht in dieser hohen Konzentration enthalten wie schulmedizinische Präparate. Die Nebenwirkungen sind dadurch und die komplexe Zusammensatzung dafür aber auch geringer, v.a. in der Langzeitanwendung.

Zusammenfassend ist also festzuhalten:

  • Schmerzen schützen unseren Körper vor weiterer Gewebsschädigung und unterstützen den Heilungsprozess
  • es sollte vor Schmerzmittelgabe immer die Ursache der Schmerzen ermittelt werden, um durch anschließende Schonung dem Gewebe Zeit zur Heilung zu geben. Die Ursache des Schmerzes bestimmt außerdem die Art des Schmerzmittels.
  • Wenn Schmerzmittel gegeben werden, immer in entsprechender Dosis
  • chronischer Schmerz kann weitreichende Folgen für den gesamten Organismus bedeuten